
Vitalität in Oberstaufen im Allgäu
ALTES WISSEN, MODERNE ZEITEN: DIE SCHROTHKUR

Seit über 200 Jahren wird die Schrothkur praktiziert, vor mehr als 70 Jahren brachte Dr. med. Hermann Brosig das Naturheilverfahren nach Oberstaufen, 1992 wurde die Gemeinde als weltweit einziges offizielles Schroth-Heilbad anerkannt. Seither hat sich vieles verändert und gewandelt – eines ist geblieben: Die Begeisterung für die Kur. Traditionsbewusst, zugleich zukunftsorientiert, möchte die ‚neue‘ Generation Schrothkur-Gastgeber:innen dieses Erbe fortführen. Dass es dabei nicht nur einen Weg gibt, wird im Gespräch mit zwei von Ihnen deutlich: Johannes Schädler und Josef Geissler sind beide vom Konzept des Naturheilverfahrens komplett überzeugt. In ihren Familienbetrieben hat die Kur einen entsprechend großen Stellenwert – so unterschiedlich die Häuser auch sind.
Doch… was ist eigentlich die Schrothkur?
Das Konzept der Kur, benannt nach seinem Begründer Johann Schroth, basiert auf vier aufeinander abgestimmte Säulen, die gezielte Reize auf den Körper ausüben, um einen grundlegenden Regulations- und Reinigungsprozess anzustoßen. Das Naturheilverfahren hilft sowohl präventiv bei ersten Anzeichen von Erschöpfung als auch bei verschiedenen Erkrankungen wie Stoffwechselstörungen, Hautproblemen oder chronischen Entzündungen. Zudem konnte auch bei Typ-2-Diabetes eine positive Wirkung wissenschaftlich erwiesen werden.
Es ist früher Nachmittag, nur das leise Summen eines fernen Staubsaugers durchdringt die Ruhe des Restaurants. Es werden zwei große Gläser Apfelsaftschorle gebracht, die Josef und Johannes dankend entgegennehmen. Kennen tun sich die beiden bereits seit der Grundschule. „Wir haben uns damals an der Bushaltestelle hier in Buflings kennengelernt. Jahrelang haben wir dort jeden Morgen gewartet.“, lacht Johannes. Beide stammen sie aus familiengeführten Traditions-Gastbetrieben. Bei Josef handelt es sich dabei um das 40 Betten starke Kurheim Geissler mit dazugehöriger Landwirtschaft in Zell: „Bei uns packen momentan noch meine Eltern. Ich habe 2019 meine Packer-Ausbildung gemacht, damit ich dann in Zukunft auch übernehmen kann. Bis dahin beginnt mein Tag im Stall mit der Versorgung der Tiere.“ „Bei mir beginnt der Tag normalerweise im Frühstücksservice oder an der Rezeption. Ansonsten liegen meine Aufgaben im Marketing, in der Buchhaltung, dem Einkauf und im Personal.“, erzählt Johannes, der im Sport- und Wellnesshotel Dein Engel in Buflings mit einer Kapazität von 130 Betten und 70 Mitarbeitenden groß geworden ist.

In beiden Häusern wurde die Schrothkur von den Großeltern eingeführt und inzwischen in der dritten Generation praktiziert. „Bei uns gehört es einfach dazu. Ich selbst mache die Kur einmal im Jahr, meine Mutter sogar zweimal.“, erzählt Josef und Johannes pflichtet ihm bei: „Auch wir machen die Kur einmal im Jahr mit der ganzen Familie. Was uns einfach immer wieder neu überzeugt ist, dass wenn man sich davor schwach und irgendwie ausgebrannt gefühlt hat, danach immer die volle Kraft wieder da ist.“
Josef nickt und ergänzt: „Das mitzubekommen macht mir auch am meisten Freude. Meistens kommen die Leute gestresst zu uns und wissen gar nicht wohin mit sich. Nach der Kur und der dazugehörigen Enduntersuchung beim Arzt sind sie dann richtig stolz auf ihre Werte, können es manchmal selbst kaum fassen. Letztens hat auch wieder einer zu mir gesagt, dass er sich fühlt, als könne er Bäume ausreißen.“
Der Weg dahin ist allerdings nicht immer einfach. „Für viele Gäste ist der Wechsel vom Alltag in die Kur schwer. Die Packungen in der Früh, die reduzierten Mahlzeiten… Das braucht eine gewisse Eingewöhnungsphase.“, weiß Johannes aus eigener Erfahrung. Er kennt allerdings auch das Gegenmittel: „Hier gilt das Motto ‚Geteiltes Leid, ist halbes Leid‘, das können wir immer wieder beobachten.“ So reisen viele Schrothler:innen alleine an. Dadurch, dass die Kurgäste allerdings meist ihren eigenen Essbereich haben oder an einem gemeinsamen Tisch sitzen und so schnell in Kontakt miteinander kommen, bilden sich über den Aufenthalt nach und nach Freundschaften, bis am Ende richtige Cliquen entstanden sind. „Oft verabreden die sich dann zur nächsten Schrothkur im nächsten Jahr – gleiche Zeit, gleicher Ort. Das ist schon etwas sehr besonderes.“, erklärt Johannes. Das kann auch Josef in seinem Betrieb, trotz oder genau wegen des Größenunterschiedes, immer wieder gut beobachten. „Gerade zu den normalen Kurzeiten im Frühjahr und Herbst macht sich bei uns eine ganz bestimmte Stimmung breit.“ Auf die Frage, ob es da ruhiger und besinnlicher sei, muss Johannes ein wenig schmunzeln: „Nicht unbedingt. Es kommt oft vor, dass unser Barkeeper im Sommer, wenn das Haus voller Wanderer und Familien ist, früher Feierabend machen kann, als wenn die Schrothgäste da sind, die sich nicht den ganzen Tag in den Bergen ausgetobt haben und den Abend lieber noch miteinander an der Bar ins Gespräch kommen.“

Die Zukunft der Schrothkur: Eine junge Generation gestaltet mit
Eine Kur so altbewährt – kann man da überhaupt mit frischen Ideen gestalterisch mitbestimmen? Das Engagement junger Schrothkur-Gastgeber wie Josef und Johannes ist die Antwort auf diese Frage. Vor einiger Zeit wurde ein Marketing-Beirat mit Johannes und einigen der anderen jungen Hoteliers gegründet: „Wir haben viele verschiedene Ideen. Als erstes steht unter anderem ein neues Austauschformat an. Mit themenbezogenen ‚Tage der offenen Türen‘ zur Schrothkur möchten wir für mehr Transparenz sorgen und neue Arbeitskräfte für uns gewinnen.“

Von diesen und weiteren Marketing-Maßnahmen profitieren langfristig auch kleinere Betriebe wie das Kurheim Geissler: „Der Beirat wird zukünftig auch in Vertretung für alle Schrothkur-Gastgeber auf große Messen gehen, das kann ich schlichtweg nicht ‚mal eben‘ machen, da ansonsten daheim der Betrieb nicht weiterlaufen kann.“, erklärt Josef und Johannes fasst zusammen: „Ich finde, wir haben mit der Schrothkur ein Produkt, dass obwohl es schon so alt ist, gerade zur heutigen Zeit, in der so viel konsumiert wird und Druck auf den Menschen lastet, wieder an Aktualität gewonnen hat. Genau darauf wollen wir aufmerksam machen und es weiter voranbringen.“
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Yelena Glajcar
Die Poetin im Team setzt sich mit allen Themen auseinander, die Oberstaufen zu bieten hat. Als Content Managerin mit Schwerpunkt Social Media wittert sie überall eine gute Story, macht aus einfachen Themen besondere Geschichten in Wort und Bild – und weiß ganz genau, wie sie die Sehnsucht bei Fans und Followern weckt.